Ausbau der Schuldnerberatung in Marl

Von fast 84.100 Marler Bürgern ist fast jede vierte Person im Stadtgebiet von Überschuldung betroffen. Im Kreis-Ranking verglichen mit allen 10 kreisangehörigen Städten ist in der Stadt Marl die zweithöchste Anzahl von Kreisbürgern von Überschuldung betroffen, lediglich übertroffen von der Stadt Recklinghausen. Aufgrund dieser Entwicklung hat die SPD-Fraktion einen Antrag an den Rat der Stadt Marl gestellt, die Schuldnerberatungen zielgerichteter zu unterstützen. Folgender Antrag wurde dem Rat der Stadt Marl vorgelegt:

Bild: geldhauser

Antrag der SPD-Fraktion vom 22.06.2021 an den Bürgermeister:
Die Verwaltung wird beauftragt, zu prüfen, welche Unterstützungsleistungen für die Schuldnerberatung möglich sind. Hierzu wird sie gebeten mit dem Träger Diakonisches Werk im Kirchenkreis Recklinghausen Gespräche zu führen, um die Notwendigkeiten zu erfragen, damit eine zielgerichtete Unterstützung gewährleistet werden kann.

Begründung:
Im Sozialausschuss berichtete Herr Overmann, als einer von insgesamt zwei aktuell tätigen Schuldnerberatern der Diakonie, ebenso eindrücklich wie erschütternd anhand von fünf unterschiedlichen Fallbeispielen über die fatalen, existenziellen Folgen von Verschuldung in Marl. Hierbei handelt es sich entgegen der gängigen Meinung nicht um Konsumverschuldung, sondern um Schulden, die aus sozialer Not und aus unterschiedlichen prekären Lebenslagen entstanden sind. Hauptauslöser von Überschuldung bleiben weiterhin überwiegend Ereignisse, die außerhalb der Kontrolle der Betroffenen liegen, ausgelöst durch unplanbare gravierende Änderungen der Lebensumstände, wie Arbeitslosigkeit, Trennung oder Erkrankung. Die feststellbare Polarisierung und Verfestigung von prekären Lebenslagen bezeugt die ungleiche Verteilung von Lebensrisiken von Vermögenden und Vermögenslosen in der Emscher-Lippe Region.

Die „Big Five“, so werden die Überschuldungsgründe auch genannt sind gemäß IFF Hamburg: Arbeitslosigkeit, Trennung/Scheidung, Erkrankung, Aufgabe einer selbstständigen Tätigkeit, Arbeiten im Niedriglohnsektor. Trotz nachhaltig gutem Wirtschaftsboom im Umfeld stiegen die Zahlen gegenüber dem Vorjahr erneut an und sind Ausdruck einer bedenklichen Polarisierung von Lebenslagen der Bürger, die in gutsituierten Haushalten leben, versus derer, die lang anhaltend in ökonomischen Härten leben. 2020 ist das Jahr mit der höchsten Quote seit der über zehnjährigen Erfassung. Zu den 10.649 Personen kann in der Regel noch eine haushaltsangehörige Person hinzugerechnet werden. So dass von 84.100 Marler Bürgern fast jede vierte Person im Stadtgebiet von Überschuldung betroffen ist. Im Kreis-Ranking verglichen mit allen 10 kreisangehörigen Städten ist in der Stadt Marl die weithöchste Anzahl von Kreisbürgern von Überschuldung betroffen, lediglich übertroffen von der Stadt Recklinghausen.

Nicht mit einbezogen ist der sogenannte insolvenzgefährdete Mittelstand, der das Eingeständnis der Insolvenz bis zuletzt hinauszögert, eine lange psychisch und physisch beeinträchtigende Härte erduldet, um Inkassodruck und ein Vollstreckungs-Stakkato zu vermeiden, insofern den Versuch unternimmt alle Gläubiger „auf Teufel komm raus“ weiterhin zu bedienen, mit der Folge dass zehntausende betroffene Haushalte weit unter dem gesetzlich vorgesehenem Existenzminimum leben, mit damit einhergehenden bedenklichen Kindeswohlbeeinträchtigungen, bei den im Haushalt lebenden Minderjährigen. 80 % aller Neuzugänge in der Schuldnerberatung zahlen an verschiedene Gläubiger bis zum Beginn der Beratung nicht unerhebliche Beträge aus den unpfändbaren Einkommensanteilen heraus.

Bei in der Stadt Marl schon vor der Corona-Krise 10.649 von Überschuldung betroffenen Personen (ohne Angehörige und ohne die Anzahl der durch die Corona Krise hinzukommenden insolvenzgefährdeten Personen z.B. aus dem Mittelstand und aus der Gruppe der vielen Soloselbstständigen), die jeweils im Durchschnitt bei ca. 7 verschiedenen Gläubigern verschuldet sind, werden im Stadtgebiet Marl aktuell über 75.000 einzelne Gläubigerforderungen im Rahmen der Vollstreckung beigetrieben.

Hier geht`s zum Antrag:

Antrag_2021_0278__Antrag_der_SPD- Fraktion_betreffend_Unterstützung_der_Schuldnerberatung_Marl_.pdf_

Der Rat beschloss in seiner Sitzung am 30.06.2021 einstimmig:
Die Verwaltung wird beauftragt, zu prüfen, welche Unterstützungsleistungen für die Schuldnerberatung möglich sind. Hierzu wird sie gebeten mit dem Träger Diakonisches Werk im Kirchenkreis Recklinghausen Gespräche zu führen, um die Notwendigkeiten zu erfragen, damit eine zielgerichtete Unterstützung gewährleistet werden kann.

Beschluss:

Beschluss_von_TOP_34_3._Sitzung_des_Rates_

Mit dem Haushaltsbeschluss zum Haushalt 2022 wurden die Zuwendungen bei 6 Gegenstimmen auf Antrag von SPD, CDU, WG Die Grünen, Bündnis ´90 Die Grünen, FDP und Die Linke für die Schuldnerberatung in Marl von einer 75 % Stelle auf eine Vollzeitstelle (und somit 20.000 € jährlich) erhöht.