Kumpel als Prügelknaben der Politik?

Wie immer, wenn deutsche Spitzenpolitiker ein Bergwerk besuchen, geht es um Kohle – um Steinkohle und um Geld. Gestern war der neue SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, die rechte Hand des Parteichefs Matthias Platzeck, zu Gast im Marler Bergwerk Auguste Victoria/Blumenthal, kurz "AV". Einen Koffer mit Geld habe er nicht dabei, sagte er gleich zur Begrüßung. Aber reichlich guten Willen, für weitere staatliche Kohle-Subventionen zu sorgen.

Doch das sei nicht so einfach, bekannte Heil offen. Es gebe schließlich auch in der SPD-Bundestagsfraktion Stimmen, die bei der Kohle schwarz sehen und bei den milliardenschweren Subventionen den Rotstift ansetzen wollen.

Immerhin drei Milliarden Euro Beihilfen erhält der Bergbau bisher jährlich. Tendenz: fallend. Vor zwei Wochen erst wurde darum wieder eine Zeche stillgelegt: Lohberg, im Westen des Reviers. In NRW arbeiten damit noch sieben Bergwerke. Walsum (am Rhein) schließt zudem Mitte 2008, das Bergwerk Lippe (Gelsenkirchen) Ende 2009. Ein weiterer "Pütt" soll wohl 2012 dicht machen.

In der Emscher-Lippe-Region hoffen Unternehmer und politisch Verantwortliche, dass es nicht AV trifft: 3 800 Arbeitsplätze stellt das Bergwerk, dessen Kumpel in jeder Stadt der Region wohnen und einkaufen. 99 Mio. Euro betrage deren Kaufkraft, sagte Bergwerksdirektor Horst Sablotny. 2001, als AV und Blumenthal/Haard (Recklinghausen) fusionierten, arbeiteten noch mehr als 8 000 Mann auf beiden Zechen.

Heil sagte, er verstehe die Probleme, die diese Stilllegungen mit sich bringen. Er stamme "auch aus einer Montan-Region" um Peine/Salzgitter. Lengede, der Ort des verfilmten Grubenunglücks, liege in seinem Wahlkreis: "Gott sei Dank haben wir dort noch Stahlproduktion." Mit Franz Müntefering und Peer Steinbrück, die das Anliegen der Menschen im Revier auch in Berlin "weiter auf dem Schirm haben", wie Heil sagte, wolle er sich für eine klare Position der Partei in der Energiepolitik einsetzen. Die Kernfrage sei, wie viel subventionierte Kohle im Energiemix der Zukunft noch eingesetzt werde.

Die Zukunft beginnt 2009

Und diese Zukunft beginnt 2009. Hintergrund: Bis 2008 hat die Deutsche Steinkohle verbindliche Zuwendungsbescheide von der ehemaligen Regierung Schröder erhalten. Aber was kommt danach?

Im Sommer gibt es in Berlin einen Energie-Gipfel: Danach gebe es laut Heil Antworten auf die bange Frage. In der öffentlichen Debatte sieht Heil Kumpel und Kohle bisher als

"Prügelknaben". Er glaube aber, "dass die Debatte sich noch dreht". Daran will er – unterstützt von der Marler Bundestagsabgeordneten Waltraud Lehn – selbst mitwirken. Auf AV vereinbarten Heil und Lehn eine Grubenfahrt junger SPD-Abgeordneter, die nicht aus NRW kommen. Gerade diese sind es, die keine weiteren Steuer-Milliarden für Kohle ausgeben wollen. "Das muss man selbst gesehen haben", hofft Lehn auch auf die finanzpolitische Überzeugungskraft einer Grubenfahrt. Für sie wird das der 50. Besuch unter Tage.

Im Ruhrgebiet, der sprichwörtlichen "Herzkammer" der SPD, war Heil in seinen zwei Monaten als SPD-"General" gestern zum ersten Mal. Von Marl aus ging es weiter nach Recklinghausen und Oer-Erkenschwick: eine Partei-Diskussion und Fußball standen nach dem Besuch bei den Kumpeln auf dem Programm. Keine Frage: Der eher nüchtern-intellektuell auftretende Heil sucht jetzt die Nähe zu traditionellen SPD-Themen – und den Menschen im Revier.